Lebenselexier
Cellospielen ist für mich wie atmen – einfach lebensnotwendig. Das Instrument bringt in mir alles zum Schwingen – durch seine Ausdruckskraft, seine Wärme und Vielfarbigkeit, die Nähe zur menschlichen Stimme – dringt es direkt in mein Herz. Und wenn man dann auch noch Musik spielt, die einem etwas sagt und zu der man selbst etwas zu sagen hat – dann wird man ganz von alleine zum Erzähler.
Wenn auf diese Weise Musik und Sprache zu verschmelzen beginnen und das Eine fortsetzt, wo das Andere an seine Grenzen stößt, dann lässt einem die Suche nach immer mehr Klangfarben und Ausdrucksmöglichkeiten auch Schritte über alles Gelernte und Gehörte hinaus machen – im extremen Fall – so wie es mir in Paris passiert ist – zur Entwicklung einer ganz persönlichen Cellotechnik und über Jahre meines ganz persönlichen Cellosetups, kombiniert mit für mich eigens entwickelten Saiten und Bögen.
Musik neu erleben
Wenn man ein Werk studiert oder ein neues Programm erarbeitet, tauchen unvermeidlich Spannungen auf, die in der Musik ihren Weg an die Oberfläche suchen. Es ist als würde ich in das Seelenleben des Komponisten hineingesogen. Bei dieser Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Komponisten und seiner Biografie entstehen unwillkürlich fesselnde neue Blickwinkel und Ansätze für die Interpretation. <br>
Der Schritt diese fesselnden Inhalte auch an unser Publikum war naheliegend: sei es durch Erzählen auf der Bühnen, in Form von Dialogen, die wir schreiben und die von Schauspielern gelesen werden oder Tango-Tanzeinlagen. Der Erfolg zeigt: diese Zugänge begeistern das Publikum – gleichgültig ob es klassikaffin ist oder sich erst der Klassik annähert.
Cellotechnik
Während meines Studiums sah ich einen Film über Mario del Monaco. Ich war fasziniert: So lebensecht wirkte sein Gesang, als stünde er nicht auf einer Bühne sondern mitten im Leben. Kein reiner Schöngesang, sondern purer Ausdruck. Alle Gestaltungsmittel ganz im Dienst der Erzählung.
Dieser Tag veränderte mein Leben, meinen Anspruch an mein Spiel. Er führte zur Entwicklung meiner ganz persönlichen Cellotechnik in Paris: Ein eigener Stuhl mit Lehne, das Cello viel flacher und der Bogenarm beinahe gestreckt – also eine vollkommen andere Haltung, die mir viel mehr Freiheiten im Ausdruck bietet.