Dmitri Shostakovich – der Musikgigant des 20. Jahrhunderts. 1934: er hat mit seinen ersten beiden Symphonien und seiner Oper Macbeth bereits Ruhm in Russland und im Westen erlangt. Nun schreibt er sein erstes großes kammermusikalisches Werk – seine Cellosonate. In den schnellen Sätzen sprühende Volksmusik aber strotzend vor Ironie und Witz. Als wollte er der Zensur mit Inbrunst trotzen. 1975: noch ein Jahr zuvor hat er verkündet, dass er hundert Jahre alt werden würde.
Nun ist er körperlich ein Wrack, er kann kaum die vier Stufen zu seiner Wohnung erklimmen, Arme und Beine sind zunehmend gelähmt, von seiner zahlreichen Krebserkrankungen und Infarkten ganz zu schweigen. Er schreibt sein letztes Werk – seine Violasonate – als wollte er sich von der Welt verabschieden. Und tatsächlich stirbt er über dieser Sonate. Wir bearbeiten sie für Cello. Je länger wir daran proben desto konkreter entstehen Bilder: Im ersten Satz ein Mensch der aus dem Koma erwacht – als wollte er sich aufbäumen gegen den nahen Tod. Im zweiten Satz ein Zitat aus seiner Oper „Der Spieler“ – wie ein melancholischer Rückblick auf das verflossene Leben. Im letzten Satz das Friedenschließen mit dem Unausweichlichen mit einem Zitat von Beethovens Mondschein Sonate. Am Ende das Cello auf einem unendlich langen e auf der C Saite, im Klavier einige Arpeggi – als würde ein Planet im Universum verglühen.
Als künstlerischer Leiter der Eggenberger Schlosskonzerte hatte ich Gerard Caussé eingeladen. Auf dem Programm unter anderem Shostakovichs Violasonate. Ich bat Gerard das zu tun was ich selbst so gerne tue: etwas zu den Werken zu sagen. Gerard ersuchte mich das an seiner Stelle zu tun. Ich erzählte auf der Bühne von meinen Bildern, die in mir im Laufe der Zeit entstanden sind. Nach dem Konzert stürzte Gerard auf mich zu: „Was hast du dem Publikum erzählt? Ich hatte noch nie so viel Erfolg mit dieser Sonate!“